Freitag, 5. Dezember 2014

Auf Herz und Nieren geprüft:
Das taugen Dortmunds U-Bahnlinien wirklich


Sie sind von zentraler Bedeutung und befördern uns täglich von einem zum anderen Ende der Stadt. Zeit, die 5 wichtigsten U-Bahnlinien Dortmunds mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Wir sind tagelang und zu den unmöglichsten Uhrzeiten durch die Tunnel der Stadt gerast und haben sie auf Herz und Nieren getestet.


U 41 Hörde - Brambauer
Endstelle Clarenberg: Von einer problembelasteten Hochhaussiedlung im Süden fahren wir hinauf in den grauen Norden: Ja, es ist eine einzige Trauerstrecke, diese U41. Hörde, ein Stadtteil, der sich vom Abschied der Stahlindustrie noch nicht wieder erholt hat, mit einem See für Millionäre, der an Tristesse nicht zu überbieten ist, verbindet sich quer durch die Stadt mit seinem nördlichen Pendant: Eving. Wer hier pendelt, kennt die mieseren Stunden des Lebens. Ob aus süd- oder aus nördlicher Richtung: Ziel ist stets die Innenstadt, wo die Schönheiten aus Süd wie Nord jeden Samstag entfesselt und um so leidenschaftlicher über die Primark Kleiderständer herfallen wie ein Rudel ausgehungerter Hyänenweibchen.

beste Zeit für den Ride: Samstagmittags

Gesamtlänge: 36 min
Diese Typen sind an Bord: Hausfrauen ab 2 Haarfarben aufwärts, Malocher, Shopaholics 
Empfohlener Soundtrack: Chromeo "Needy Girl"


(c) MASONONE www.mason.de
Insider: Neben der DSW21 sind es die Sprayer, die die Tunnel unter der Stadt am Besten kennen. Trotz Kameraüberwachung mit angeblicher Wärmebildtechnik dringen sie immer wieder in das System ein. Vor einer nächtlichen Abkürzung durch die Tunnel sei aber an dieser Stelle ausdrücklich gewarnt: Neben hohen Strafen droht ständige Lebensgefahr durch außerplanmäßige Instandsetzungs - und Schienenschleiffahrten, die vor allem Nachts durchgeführt werden.

U 42 Hombruch - Grevel
Von Süden bis Nordosten den ganzen Kosmos Dortmunds erleben: Diese Linie kreuzt das ganze Spektrum. Vom entspannten Hombruch, dem "Greenwich Village" Dortmunds mit seiner einladenden Harkortstraße geht es mit der U42 am Stadion vorbei direkt ins Kreuzviertel, wo Latte schlürfende Jungakademikermütter die besten Cafés der Stadt besetzen. Mit direktem Kurs durch die Innenstadt geht es ruckzuck weiter in die Nordstadt. Hier gibt´s urbane Kultur, die besten orientalischen Restaurants und eine garantierte Prise Abenteuer. Direkt hinter der Nordstadt wird´s oberirdisch und verdammt grün! Richtung Scharnhorst juckelt man wie in guter alter Zeit durch weite Wiesen und Felder, bevor man den wohl russischsten Teil der Stadt erreicht. Wer Wodka in Glaskalaschnikows sucht, hier wird er ihn finden.

beste Zeit für den Ride: an einem sonnigen Nachmittag
Gesamtlänge: 32 min
Diese Menschen sind an Bord: Studis, Abi-Hipster, Citoyens, Rentner
Empfohlener Soundtrack: Capitol 1212 feat. Mike G. "Good Feelin"


Die urgemütlichen Polstersitze des B80C Stadtbahnwagens, das zweite Wohnzimmer vieler Dortmunder.

Insider: Die Dortmunder Stadtbahn gehört eher zu den gemütlichen U-Bahnnetzen auf der Welt. Mit einer durchschnittlichen Stationstiefe von 13 Metern kann man hier keine Rekorde brechen. So liegt eine Station in Budapest im Schnitt 60 Meter unter der Erde, in Sankt Petersburg und Kiew sogar auf 105 Metern. Mit über 50 unterirdischen Stationen auf 90 Metern Tiefe ist die Linie 9 in Barcelona seit 2014 die längste und tiefste U-Bahn Linie der Welt.

U 43 Wickede - Dorstfeld

Wickede - hier lebt es sich gemütlich zwischen Klinkerfassade und Eiche-Brutalschrankwand. Und warum die spießigste aller Linien Dortmunds am traurigsten Platz der Welt endet und nicht am Flughafen, ist ein Witz, so gut, dass er nur aus Dortmund kommen kann. Nun ja, wir rumpeln mit dem Bombardier Flexity Classic, so der Fachbegriff für den hier verkehrenden Niederflur-Straßenbahnwagen, an endlosen Anreihungen von KIK, Kodi, Ernstings, Tedi und Friseursalons mit pfiffigen Wortspielen wie "alles, nur nicht Hairkömmlich" von Osten in den Westen. Wer die gigantischen Weiten Dortmunder Vororte erleben will, sollte sich eine Fahrt mit der U43 gönnen. Dazu hat man in dieser Bahn das Gefühl, als sitze man in einem gigantischen orthopädischen Gerät, in dem man sich an jeder Ecke das Knie stößt. 

beste Zeit für den Ride: Irgendwann wenn man nicht weiß wohin mit seiner Langeweile

Gesamtlänge: 42 min
Diese Menschen sind an Bord: Schützenkönige, Teenie-Eltern in Jogginghosen
Empfohlener Soundtrack: Villa Nah "Running On"


Traurigste Endstelle der Welt: Dortmund Wickede
Insider: Oft wird spekuliert, ob es in den Tunneln dieser Linie geheime Zugänge zu dem größten Luftschutzstollen der Welt gibt, der sich unter der gesamten Dortmunder City vom Hauptbahnhof bis zum Westpark erstreckt. Die U43 schneidet das Bunkersystem nämlich im Bereich Westentor in zwei Teile. Nach bisherigen Erkenntnissen von Bunkerratten und Schleichern gibt es aber definitiv keine Möglichkeit, durch die U-Bahn in die Bunkeranlage zu gelangen.

U 45 Hauptbahnhof - Westfalenhallen
Der kürzeste Ride der Stadt auf einer für Einheimische vollkommen sinnlosen Strecke, es sei denn, der BVB oder DJ Bobo spielen mal wieder (meist gleichzeitig). Allen Messeveranstaltern, die wegen ihrer Alkohol- und Kokainsucht den Führerschein nie wieder sehen werden sei gesagt: Ja, wir haben eine Bahnverbindung, die euch auf schnellstem Wege vom Hauptbahnhof zurück zu euren heißen Promo-Girls in die Messehallen bringt. Because the party never ends - this life is what I recommend. And if you got a ho before me then she`s better be a 10!

beste Zeit für den Ride: Wer´s kuschelig mag - vor einem Spiel des BVB

Gesamtlänge: 11 min
Diese Menschen sind an Bord: niemand / alle
Empfohlener Soundtrack: Eine Bahn voller BVB Fans hat ihren eigenen Sound


Insider: Da es technisch nicht umsetzbar war, alle acht Linien zum Hauptbahnhof zu führen, entschied man sich für das sogenannte "Leningrader Dreieck": Die dezentralen Kopfbahnhöfe Stadtgarten, Kampstraße und Reinoldikirche binden die Vororte an die City an, von denen aus man mit einem Umstieg den Hauptbahnhof erreicht. Oft sehr zum Ärger der Pendler. 

U 47 Aplerbeck - Westerfilde
Die Blue Collar Line unter den Bahnlinien. Vom citoyenen Aplerbeck Richtung Innenstadt nimmt der Anteil an Wellenstein-Jacken rapide ab. Und wer auf dem Weg zur Arbeit bis jetzt noch nicht ausgestiegen ist, der trägt Blaumann. Denn hier findest du sie noch, die waschechten Dortmunder Arbeiter. Mit grummeliger Freundlichkeit, Kassengestell auf der knorrigen Nase und einer Thermoskanne im Rucksack entschwinden sie stets klaglos zu den wahren Motoren dieses Landes: Maschinenbaufirmen, Baustoffrecycling, Fahrzeugtechnikbetrieben. Lassen wir den Hafen hinter uns, eröffnet sich ein tolles Panorama über das Hafengebiet , vergessene Bahnanlagen und der Innenstadt Skyline, bevor uns in Huckarde und Westerfilde die wahre Tristesse Dortmunder Vororte auf den traurigen Boden der Tatsachen zurückholt. Wir fühlen uns verloren und wollen lieber wieder schnell zurück in die Zivilisation.

beste Zeit für den Ride: 7.00 morgens oder 17.00 Uhr abends

Gesamtlänge: 40 min
Diese Menschen sind an Bord: Malocher, Schüler, Citoyens
Empfohlener Soundtrack: Mitch Murder "Nocturne"



Insider: Ein Sonnenauf- oder untergang bei der Hafenüberquerung ist magisch.